Strah­len­the­ra­pie Sinn oder Unsinn

Hi Gina, erzähl doch bit­te ein­mal dei­ne wah­re Geschich­te.

    Hal­lo, ich bin Gina – Lady Gina. Eine Ber­ne­rin.

    Ich kann euch nur sagen: Hur­ra, ich lebe noch.

    Jetzt bin ich 9 Jah­re alt gewor­den. Letz­tes Jahr war ich sehr krank. Wie kam es dazu? Ich kuschel­te mit mei­nem Frau­chen an einem schö­nen Som­mer­tag am Abend im Wohn­zim­mer. Plötz­lich bekam ich Zuckun­gen an den Bei­nen, dann am gan­zen Kör­per. Die­ser wur­de dann ganz steif, ich hechel­te und spei­chel­te sehr, ver­dreh­te mei­ne Augen. Der Spuk dau­er­te nur weni­ge Sekun­den. Nach ca. 1 Minu­te kam ich lang­sam wie­der zu mir. Doch ich war noch zu schwach um auf­zu­ste­hen. Es dau­er­te meh­re­re Minu­ten bis ich eini­ger­ma­ßen auf wack­li­gen Bei­nen stand und völ­lig des­ori­en­tiert durch das Wohn­zim­mer tau­mel­te. Mein Frau­chen und Herr­chen waren bei mir, damit ich mich nicht ver­let­zen kann, denn irgend­wie war ich völ­lig durch­ein­an­der. So etwas habe ich noch nie erlebt.

    Mei­ne 7 Jah­re alte Schwes­ter Ore­lie ver­kroch sich in ihre „Höh­le“. Sie merk­te, dass es mir nicht gut ging und ließ mich in Ruhe, Gott sei Dank. Ich hat­te ordent­lich Durst. Schnell war die gan­ze Was­ser­scha­le geleert. Ich war wie­der ich, aber irgend­wie doch noch nicht so ganz. Doch was war das? Was ist mit mir pas­siert? Mein Herr­chen rief gleich bei Dr. Neu an. Auch wenn es schon außer­halb der Sprech­zeit war, nahm er sich Zeit und beru­hig­te mei­ne Eltern erst­mal. wir soll­ten die nächs­ten 1–2 Stun­den abwar­ten. Ansons­ten am nächs­ten Tag in die Sprech­stun­de kom­men. Herr Dr. Neu ließ es sich nicht neh­men und rief mei­ne Eltern noch ein­mal an, wie es mir nun ging. Es ging mir am Abend wie­der bes­ser, so als ob nichts gewe­sen wäre. Ich konn­te sogar mit Gas­si gehen. Zwar vor­sich­tig, aber es ging.

    Am nächs­ten Tag fuh­ren wir gleich zu Dr. Neu. Es war klar – es war ein epi­lep­ti­scher Anfall. Ich bekam Tablet­ten Phe­no­lep­til und Not­fall­sprit­zen falls ich wie­der einen Anfall bekom­men soll­te, was wir nicht hof­fen wol­len.

    Das Dum­me war, das das gan­ze unmit­tel­bar vor unse­rem Som­mer­ur­laub in Nord­jüt­land in Däne­mark pas­sier­te. Dort bin ich doch so ger­ne, am Meer füh­le ich mich frei und kann den Wel­len hin­ter­her jagen und mit mei­ner Schwes­ter und mei­nen Eltern am rie­si­gen Strand spie­len. Es ist dort so toll. Ich will da wie­der hin. Ein­fach nur Natur pur.

    Da ich sta­bil war, fuh­ren wir bepackt mit Medi­ka­men­ten nun doch in den Urlaub, auch wenn mei­ne Eltern nicht mehr damit gerech­net hat­ten. Die ers­ten 1 ½ Wochen waren toll. Ich tob­te mit mei­ner Schwes­ter Oré­lie am Strand und durch die Dünen. Doch dann geschah es plötz­lich wie­der. Ich lag vor unse­rem Wohn­mo­bil und bekam wie­der die­se extre­men Zuckun­gen, fiel auf die Sei­te und war wie­der des­ori­en­tiert, hechel­te viel und ver­lor wie­der viel Flüs­sig­keit aus dem Mund. Danach wie­der enor­mer Durst. Ein Anfall, wie der Ers­te. Ich bekam sofort die Not­fall­me­di­zin, mei­ne Eltern wuss­ten was mit mir los war und pass­ten wie­der auf, dass ich mich nir­gend­wo sto­ßen konn­te. Ich habe mich lang­sam wie­der erholt, bin vor dem Wohn­mo­bil noch ein biss­chen mit mei­nen Eltern gelau­fen. Wir konn­ten noch den rest­li­chen Urlaub von wei­te­ren 1 ½ Wochen fol­gen­los ver­brin­gen.

    Nach einem wei­te­ren Monat bekam ich mei­nen drit­ten Anfall. Was passt mit mir nicht?

    Mei­ne Eltern ent­schlos­sen sich dann in Abstim­mung mit Dr. Neu und Dr. Bijm­holt über ein MRT der Sache auf den Grund zu gehen. Wir lie­ßen uns einen Ter­min über die Tier­ärzt­li­che Pra­xis für Neu­ro­lo­gie, bei Dr. Rent­meis­ter, der sich als Tier­n­eu­ro­lo­ge u. a. auf die­ses Gebiet spe­zia­li­siert hat, aus Det­tel­bach in der Uni­kli­nik Würz­burg geben.

    Mit gemisch­ten Gefüh­len fuh­ren wir hin. Ich kam in Nar­ko­se. Nach ca 1 Stun­de die Gewiss­heit – ich habe einen Hirn­tu­mor. Eine schreck­li­che Nach­richt, die uns den Boden unter den Füßen weg­riss und alle sehr trau­rig mach­te. Ich war doch so vol­ler Lebens­freu­de und hat­te noch viel mit mei­ner Fami­lie vor zu ent­de­cken. Wie schlimm ist es, was kann gemacht wer­den, wer­de ich wie­der gesund?

    Herr Dr. Rent­meis­ter sag­te, dass der Tumor sehr gut zugäng­lich sei, so dass er die­sen in einer OP weit­ge­hendst ent­fer­nen kön­ne. Wie jede OP hat auch die­se Risi­ken. Aber ohne eine sol­che OP wäre mei­ne Lebens­er­war­tung nur noch zwi­schen weni­gen Wochen und max. 3–4 Mona­ten. Schreck­lich! Ich will leben, ich  bin vol­ler Lebens­freu­de und will bei mei­ner Fami­lie sein. Ich kann doch nichts dafür.

    Eine sehr schwe­re Ent­schei­dung lag bei mei­nen Eltern.

    Um die Chan­cen zu erhö­hen etwa­ige Rest­tu­mor­zel­len zu bekämp­fen, müs­sen anschlie­ßend Bestrah­lun­gen erfol­gen, wenn die OP auch lang­fris­tig erfolg­reich blei­ben soll. Wenn aber alles gut geht, kann ich noch 3–4 Jah­re leben, die ich sonst nicht hät­te.

    Es gab vie­le Gesprä­che mit Dr. Neu, Dr. Bijm­holt und mei­ner gan­zen Fami­lie. Doch Dr. Rent­meis­ter war zuver­sicht­lich, so sich mei­ne Eltern für den Weg der OP mit Bestrah­lung ent­schie­den hat­ten. Gott sei Dank! Das hat mir mein Leben geret­tet!

    Am 1.12.23 war es soweit. Ich kam in der Pra­xis bei Dr. Rent­meis­ter in Det­tel­bach an. Oh Mann, war es doch die rich­ti­ge Ent­schei­dung? Was ist wenn das schief geht? Ich kam in Nar­ko­se und die 4‑stündige OP begann. Ich möch­te nicht wis­sen, wie mei­nen Eltern jetzt zu Mute war. Doch die OP ver­lief sehr gut, ver­si­cher­te uns Dr. Rent­meis­ter. Er konn­te den Tumor zu ca. 80–90 % ent­fer­nen. Er hat sogar etwas von der Hirn­haut ent­fernt und etwas ein­ge­setzt, dass sich hier kei­ne Tumor­zel­len mehr fest­set­zen kön­nen.

    Ich wur­de noch bis zum Abend in der Pra­xis vom sehr lie­ben Pra­xis­team und Dr. Rent­meis­ter betreut. Als ich eini­ger­ma­ßen kreis­lauf­sta­bil war, naja, jam­mern von der Nar­ko­se kennt ja jeder sicher­lich, aber ich konn­te nicht allei­ne lau­fen, auch nicht auf­ste­hen, durf­te ich aber trotz­dem nach Hau­se gefah­ren wer­den.

    Die­se Nacht war die Schwers­te und längs­te unse­res Lebens, weder für mich noch für mei­ne Eltern ein­fach.

    Ich konn­te nicht auf­ste­hen, geschwei­ge denn lau­fen. Ich war völ­lig steif und jam­mer­te, jaul­te, dann schlief ich mal kurz ein. So ging es mir die gan­ze Nacht. Mei­ne Eltern mach­ten sich sehr gro­ße Sor­gen und rie­fen gleich am nächs­ten Mor­gen Dr. Neu an. Wir soll­ten gleich in die Pra­xis kom­men. Wei­ter völ­lig steif, wur­de ich auf der Tra­ge hoch in die Pra­xis getra­gen. Fr. Dr. Bijm­holt unter­such­te mich, gab mir Infu­sio­nen und Medi­zin und behielt mich bis Mit­tag in der Pra­xis zur Beob­ach­tung. Die Infu­sio­nen haben offen­sicht­lich die Rest­me­di­ka­men­te der OP ver­dünnt, sodass es mir wie­der bes­ser ging.

    Irgend­wie kam ich wäh­rend mei­nes Auf­ent­hal­tes mit Unter­stüt­zung vor­ne (Brust­ge­schirr) und hin­ten (Hand­tuch als Geh­hil­fe) wie­der auf die Bei­ne, ich lief mit Frau Dok­tor durch die Pra­xis. Toll, es geht wie­der etwas. Ich kann mich wie­der bewe­gen. Es kam aber auch der Hun­ger zurück. Mir schmeckt ein­fach die­se Dose Nass­fut­ter. Mei­ne Eltern konn­ten es kaum glau­ben. Ich kam wie­der in mein altes Leben lang­sam zurück.

    Noch am Nach­mit­tag konn­te ich Dr. Rent­meis­ter noch ein­mal sehen. Es war für mei­nen Zustand alles „im grü­nen Bereich“, wenn­gleich ich immer noch wacke­lig war und Lauf­un­ter­stüt­zung brauch­te. Dass es mir in der vor­he­ri­gen Nacht nicht gut ging, hing mit der bewusst hohen Dosis der Medik­am­te nach der OP zusam­men.

    Zu dem Phe­no­lep­til muss­te ich nun noch Cor­ti­son und Schmerz­mit­tel ein­neh­men. Dabei stell­te sich her­aus, dass ich das Schmerz­mit­tel nicht ver­tra­ge und mei­ne Blut­wer­te sich ver­schlech­ter­ten und sogar eine Blut­ar­mut aus­lös­te. War­um Blut­ar­mut? Woher kommt das? Alle waren erst ein­mal rat­los.

    Aber Fr. Dr. Bejm­holt konn­te das Medi­ka­ment, wel­ches ich nicht ver­tra­gen habe her­aus fin­den und abset­zen.

    Ich erhol­te mich in den nächs­ten Tagen immer bes­ser. Je mehr die Medi­ka­men­te redu­ziert wur­den, umso bes­ser ging es mir.

    Mei­nen Eltern habe ich gezeigt, dass in mir Lebens­wil­le steckt. Ich habe gezeigt, dass ich mei­nen Platz auf der Couch nicht auf­ge­ge­ben habe, dass ich wie­der von der Couch allei­ne her­un­ter kom­me (das woll­ten sie nur mit ihrer Hil­fe zulas­sen, damit ich nicht weg­kni­cke) und dass ich auch mit Hil­fe mich wie­der hoch auf die Couch legen kann. Sie waren glück­lich über jeden noch so klei­nen Fort­schritt den ich gemacht habe.

    Ich habe mei­nen Eltern gezeigt, dass ich wie­der in den Gar­ten möch­te, mei­nen gelieb­ten Gar­ten. Mit Unter­stüt­zung (Brust­ge­schirr und Hand­tuch) ging es zunächst ein klei­nes Stück durch den Gar­ten. Dann wie­der aus­ru­hen. Danach wie­der und wie­der. Zum Schluss sind wir 30 – 40 Run­den durch den Gar­ten gelau­fen, trotz Schnee. Ich hät­te jeder­zeit wie­der ins Haus gehen und mich aus­ru­hen kön­nen. Ich woll­te aber nicht. Ich woll­te mei­nen Eltern zei­gen, dass ich wie­der die Ber­ne­rin wer­den möch­te, die sie ken­nen und lie­ben.

    Sehr hat mich auch mei­ne Schwes­ter Orè­lie unter­stützt. Ihr müsst wis­sen, damals, als Oré­lie in unse­re Fami­lie kam, habe ich ihr gezeigt, wo man trinkt, frisst, spielt, Pip­pi machen kann und natür­lich wer das Sagen hat J. Jetzt hat Oré­lie gemerkt, dass wie­der Leben in mir steckt. Oré­lie hat wäh­rend ich mei­ne ers­ten Geh­ver­su­che im Gar­ten gemacht habe, mich stän­dig zum Spie­len auf­ge­for­dert und zum Lau­fen ani­miert. Sie hat mich nie allei­ne gelas­sen und immer auf mich auf­ge­passt, dass mir ja nichts pas­siert – konn­te auch nicht. Mei­ne Eltern waren ja bei mir. Die Lauf­un­ter­stüt­zung (Geschirr und Hand­tuch) durf­te immer weni­ger wer­den.

    Nach dem ich im Gar­ten wie­der eini­ger­ma­ßen gehen konn­te, woll­te ich auch auf mei­ne, zumin­dest klei­ne, Gas­si­run­de zurück. Ich habe mei­nen Eltern und Oré­lie gezeigt, dass ich wie­der will und kann, wenn­gleich noch etwas wacke­lig.

    Mei­ne Eltern sagen, die­ses Weih­nach­ten gab es für sie das schöns­te Geschenk. Die reel­le Zuver­sicht auf ein wei­te­res Leben mit mir, unse­rer Fami­lie, mei­nem Rudel.

    Weih­nach­ten kann kom­men. Doch davor muss noch ein CT gemacht wer­den, um zu sehen, ob und wie vie­le Rest­tu­mor­zel­len noch vor­han­den sind und wie oft zu bestrah­len sein wird.

    Die Bestrah­lun­gen soll­ten in der Pra­xis Equin­ox Health­ca­re in Lin­sen­ge­richt durch­ge­führt wer­den. Die­se Pra­xis hat sich auf Tumor­be­strah­lun­gen spe­zia­li­siert.

    Also auf nach Lin­sen­ge­richt. Ich wur­de dort schon von einem sehr net­ten Team erwar­tet und nach einem Vor­ge­spräch mit Dr. Sou­kup­kam ich in Nar­ko­se für die CT-Unter­su­chung. Durch die­se Unter­su­chung kann spä­ter das Bestrah­lungs­ge­rät exakt an die zu bestrah­len­de Stel­le ange­passt oder wie mei­ne Eltern sagen, pro­gram­miert, wer­den.

    Es soll­ten 10 Bestrah­lun­gen inner­halb zwei Wochen erfol­gen. Die­se fan­den unter 10 mali­ger Kurz­zeit­nar­ko­se statt und es dau­er­te immer max. ins­ge­samt eine Stun­de, bis ich die Pra­xis wie­der ver­las­sen konn­te. Gut, dass wir in der Nähe eine Feri­en­woh­nung gemie­tet hat­ten, so konn­te ich bei mei­nen Eltern und mei­ner Schwes­ter Orè­lie blei­ben, was mir sehr wich­tig war. Die Bestrah­lun­gen habe ich sehr gut ver­tra­gen.

    Auch soll­te ich wei­ter­hin Phe­no­lep­til und abge­stuft bis zum voll­stän­di­gen Abbau Cor­ti­son-Tablet­ten neh­men.

    Was soll ich euch sagen? Ich habe mich erholt und füh­le mich wie­der wie eine Jung­hün­din in einem neu­en Leben. Ich ren­ne durch den Gar­ten, die Wie­sen, tobe, bel­le, spie­le mit mei­ner Schwes­ter und mei­nen Eltern, fut­te­re und ver­rei­se wie­der. Ich lie­be ein­fach das Leben und mei­ne Fami­lie. Und ich bin allen mei­nen Ärz­tin­nen und Ärz­ten und deren Pra­xis­teams  rund­um sehr, sehr dank­bar, auch wenn ich sehr viel durch­ma­chen und zahl­rei­che Blut­un­ter­su­chun­gen ertra­gen muss­te. Aber ich woll­te, will und wer­de wei­ter­le­ben. Mei­nen 9. Geburts­tag habe ich bereits geschafft. Die Ope­ra­ti­on ist jetzt 4 Mona­te, die Bestrah­lun­gen 3 Mona­te her. Mir geht es gut. Im August, nach rd. 6 Mona­ten, gehe ich noch ein­mal zum Kon­troll-CT. Bis dahin muss ich nach tele­fo­ni­scher Anwei­sung von Equin­ox mei­ne Phe­no­lep­til-Tablet­ten und bei Bedarf auch gerin­ges Cor­ti­son neh­men.

    Mein Dank geht aus­drück­lich an alle mit den jewei­li­gen Pra­xis­teams: Dr. Neu, Dr. Bijm­holt, Dr. Rent­meis­ter und Dr. Souk­up von Equin­ox Health­ca­re. Ihr seid echt spit­ze.

    Aber vor allem dan­ke ich mei­nem Frau­chen und mei­nem Herr­chen, dass ich wei­ter mit ihnen leben und noch viel ent­de­cken kann. Dan­ke auch Ore­lie, du bist die bes­te Schwes­ter die man haben kann.

    Ihr alle zusam­men habt mir das Leben geret­tet und dafür gesorgt, dass ich noch ein paar Jah­re mit euch ver­brin­gen darf.

    Aller­herz­lichst DANKE – Eure Lady Gina

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